Dessert 'Le Talleyrand'

Charles-Maurice de Talleyrand stand Pate

für dieses leicht betüterte Dessert aus der Zeit

des Wiener Kongresses. Wohlsein!


"Ananas, diese herrliche Frucht,

die ein so ausgeprägtes Aroma hat

und leicht verdaulich ist,

sollte man stets frisch

und roh verspeisen.

Gerade zu solcher Verwendung

eignet sich die Ananas

auch besonders gut."

(Paul Bocuse)


Friedensverhandlungen! Nachdem Napoleon Europa mit Kriegen überzogen hatte, regelte der Wiener Kongress 1814-1815 die Staatenordnung neu - quasi ein Vorläufer der Europäischen Gemeinschaft. Viel und gut gegessen wurde auf diesem Kongress, Tischgespräche fördern bekanntlich friedliche Verhandlungen. Der französische Außenminister Talleyrand trug maßgeblich mit seinen Einladungen zum Gelingen des Kongresses bei. Dieses Dessert ist ihm gewidmet. Food for Peace anno 1815. Und, versprochen: extrem lecker! Hier mein Rezept:


Friedlich vereint: Butter, Hefe, Zucker, Mehl ...


Zutaten

 

Für den Vorteig ("Dampfl"):

100 ml Milch

10 g frische Hefe

1 TL Zucker

100 g Weizenmehl (Type 450 oder 550)

 

Für den Teig:

250 g Weizenmehl (Type 450 oder 550)

10 g frische Hefe

Prise Salz

100 ml lauwarmes Wasser

75 g Butter

1 Bio-Zitrone

4 Eier

20 g brauner Zucker

Butter für die Backform

 

Zum Tränken und Marinieren

von Ananas und Kuchen:

1 Ananas

1/2 l Wasser

200 g Zucker

3 + 3 EL Kirschwasser

 

Zum Glasieren des Talleyrand:

100 g Bitterorangenmarmelade (Fine Cut)

 

Zum Backen:

1 kranzförmige Backform oder Savarinform


Läuft! (Der Vorteig in Aktion)


Zubereitung

  • Am Vorabend bereite ich den Vorteig (das sogenannte Dampfl) zu. Dafür gebe ich die Milch mit dem Zucker in einen Topf, erwärme sie bei sehr milder Hitze, mache die Lippenprobe (siehe meine Tipps bei: FoodTorialistic!), bröckele die Hefe hinein und rühre so lange, bis sie sich vollständig aufgelöst hat. Wichtig ist, dass die Milch dabei immer nur lippenwarm bleibt.
  • Die aufgelöste Hefe gebe ich in eine kleine Schüssel, rühre das Mehl mit einem Schneebesen unter, decke die Schüssel mit einem Teller ab und stelle sie über Nacht in den Kühlschrank.

Das Geheimnis: wenig Hefe, lange Gärzeit


Weizenmehl war zu Talleyrands Zeit das Feinste vom Feinen


Am nächsten Tag, circa 5 Stunden vor Servieren des Talleyrand, bereite ich den Hauptteig zu.

  • Dafür hole ich das Dampfl aus dem Kühlschrank und lasse es eine Viertelstunde Zimmertemperatur annehmen. Anschließend kommt es in eine Rührschüssel, ich füge das restliche Mehl, nochmal etwas Hefe und eine gute Prise Salz dazu, knete alles mit dem Handrührgerät oder in einer Küchenmaschine auf höchster Stufe und prüfe nach ein, zwei Minuten, wie sich der Teig anfühlt: Er sollte nicht zu fest sein, sondern weich und geschmeidig. Ist er zu kompakt (was von zig Faktoren abhängt: Frische der Hefe, des Mehls, aber auch Luftfeuchtigkeit und Außentemperatur), gebe ich nach und nach etwas von dem lauwarmen Wasser zum Teig, so viel, bis der Teig schön elastisch ist und sich gut bearbeiten lässt. Und so knete ich ihn dann gute zehn Minuten lang auf höchster Stufe, bis er Blasen wirft und sich wie von selbst vom Schüsselrand löst.
  • Dann ist er bereit, erneut zu gehen: Ich lege ein feuchtes Tuch darüber, stelle ihn an einen luftgeschützten Ort (also nicht ans offene Fenster) und lasse ihn mindestens auf das Doppelte aufgehen. Das kann bis zu einer Stunde dauern.

Braver Teig: Er geht langsam, aber sicher auf



  • Während der Teig geht, wasche ich die Bio-Zitrone heiß ab und tupfe sie trocken.


  • Sobald der Teig mindestens auf das Doppelte aufgegangen ist, gebe ich die Eier, den Zucker, die zimmerwarme Butter dazu, reibe die Hälfte der Zitronenschale hinein und rühre den Teig anschließend erneut auf höchster Stufe gute zehn Minuten lang. Mit der Küchenmaschine klappt das problemlos, beim Rührgerät kann es schon sein, dass es ein bisserl heißläuft, aber keine Panik: das Ding packt das schon!

Von nix kommt nix! Butter, Eier - lecker!


Der Hefeteig ist am Ende extrem weich und luftig. Ich dachte: der fühlt sich ja beim Rühren wie ein normaler Rührteig an, nicht wie die Hefeteige, die wir heute so kennen. Genau! Hier sind wir bei einer historischen Besonderheit: Backpulver gab es zu Talleyrands Zeiten nicht, Kuchen und kuchenartige Desserts wurden mit (Bier-)Hefe locker gemacht; was wir heute als Rührteig bezeichnen, war dazumal meist ein mit Hefe angereicherter Teig. Also: Alles richtig gemacht, und nicht wundern über die Konsistenz! Nach dem Foto gehts weiter mit dem Rezept:


Rührteig anno 1815 (bitte den Mixer wegdenken :-))


  • Sobald der Teig Blasen wirft und sich erneut leicht vom Schüsselrand löst, kann er ein drittes Mal aufgehen.
  • Ich buttere die Kranzform aus, fülle den Teig hinein, lege ein feuchtes Tuch darüber und lasse ihn ein weiteres Mal ruhen - so lange, bis er bis zum Rand der Teigform hochgegangen ist.


  • Nun heize ich den Backofen auf 180 °C vor.
  • Nach fünf Minuten stelle ich die Form auf mittlerer Schiene in den Ofen und backe den Teig etwa 30 Minuten.

Jetzt bekommt die Ananas ihren Auftritt!


  • Während der Kuchen backt, bereite ich den Zuckersirup und die Ananas vor:
  • Dafür koche ich den Zucker mit Wasser in einem hohen Topf bei sehr starker Hitze so lange, bis er leicht sirupartig wird, das dauert etwa eine halbe bis dreiviertel Stunde. Immer mal wieder umrühren nicht vergessen - am besten mit einem Holzlöffel mit langem Stiel, denn der Sirup ist sehr heiß: Verbrennungsgefahr! (siehe auch mein Tipps unter: Foodtorialistic!)

1502 pflanzten die Portugiesen

die erste Ananas auf St. Helena


  • Während der Sirup köchelt, schäle ich die Ananas, schneide sie in kleine Stücke und gebe sie in eine Schüssel.
  • Sobald der Sirup abgekühlt ist, messe ich 150 ml davon ab und gieße ihn über die Ananasstückchen. Dann kommen noch 3 EL Kirschgeist dazu, einmal umrühren und durchziehen lassen, bis das Kuchendessert später mit den Fruchtstücken dekoriert wird.


  • Nach Ende der Backzeit lasse ich den Kuchen gute zehn Minuten abkühlen. Dann nehme ich ihn aus der Form, lege ihn auf eine Kuchenplatte und messe vom Sirup nochmals 100 ml ab, rühre die restlichen 3 EL Kirschgeist unter und tränke den Kuchen mit Hilfe eines Esslöffels mit dem feinen Stöffchen.
  • Anschließend dekoriere ich den Talleyrand mit einem Kranz marinierter Ananasstückchen.
  • Die Orangenmarmelade kommt jetzt in einen kleinen Topf, wird unter Rühren erhitzt, bis sie flüssig ist und dann träufele ich sie mit einem Teelöffel vorsichtig auf die Ananasstücke und die Oberfläche des Kuchens. Fertig!
  • Puderzucker als Deko war damals nicht üblich. Aber Blumen in der Mitte! Der letzte Schrei damals. Also kam die Wachsrose zu Ehren, die ich einmal von einer Freundin geschenkt bekam. Wirkt, als hätte sie genau auf diesen Moment gewartet!

Fehlt nur noch ein bisschen Sahne!


1815 aß man zu solch herrlichen Schweinereien (pardon) noch keine Schlagsahne. Die kam erst später in Mode (die Geschichte dazu erzähle ich mal an anderer Stelle). Aber ehrlich: Erbsenzählerei ist The FoodTorian fremd. Also immer fest druff mit dem Schlagobers! Ach ja, und noch etwas: Im Original verwendete man keine Orangen-, sondern Aprikosenmarmelade. Die Kombination: Aprikose, Ananas, Kirschgeist war damals so etwas wie das kulinarische Nonplusultra (ich werde mich der Besonderheit mal an die Fersen heften und versuchen, herauszufinden, was es damit auf sich hat). Aber ich hatte beim Zubereiten des Talleyrand keine Aprikosenmarmelade zur Hand (es ist nicht die Saison dafür), gekaufte wollte ich nicht verwenden, die schmecken alle kaum nach was, also kam ich auf die Idee mit der Orangenmarmelade (die machen wir selbst und deshalb ist immer was davon vorrätig). Überdies ist es historisch sinnvoll und deshalb gut vertretbar, denn Orangen wurden wie die ersten Ananaspflanzen auch zur damaligen Zeit in den Orangerien der Fürsten- und Königshäuser kultiviert - und genossen somit den gleichen auratischen Seltenheitsstatus.

Weitere Tipps zur Zubereitung findet ihr hier:


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