Katharina Schratt (1853-1940),
Freundin und Geliebte von
Kaiser Franz Joseph I.
"Aber Morgen Früh um 8 Uhr
werde ich zu Ihnen kommen,
wenn Sie nur nicht absagen."
(Brief Franz Josephs an Katharina Schratt, 1905)
Um den Kaiserguglhupf ranken sich manche Geheimnisse. Eines davon ist amouröser Natur und handelt von der Geliebten des Kaisers, der Burgschauspielerin Katharina Schratt. Bis heute erzählt man sich in Bad Ischl und Wien, die Schratt hätte den Guglhupf für Kaiser Franz Joseph selber gebacken. Und das jeden Morgen, wenn sich der Monarch bei ihr zum Frühstück angekündigt hatte - was während der Sommerfrische-Wochen durchaus täglich sein konnte. Falls die parkettsichere, international agierende Schauspielerin das wirklich getan hat, bleibt die Frage, weshalb man in Bad Ischl und Wien noch heute in Konditorkreisen stolz darauf verweist, den Kaiserguglhupf für das Frühstücks-Rendezvous der beiden im eigenen Hause gefertigt und pünktlich zum Frühstücks-Date angeliefert zu haben. Hat sie nun also, die Schratt? Oder hat sie nicht? Kaiserguglhupf: Whodunnit!
Reisefertig verpackter Kaiserguglhupf
der Konditorei Zauner, Bad Ischl.
Die Burgschauspielerin und der österreichische Kaiser pflegten eine über 30-jährige Lebensfreundschaft. Eingefädelt hat die Liaison Kaiserin Elisabeth höchstselbst. Sie hatte die junge Schauspielerin 1885 anlässlich einer Theateraufführung mit anschließendem Souper kennengelernt und kurz darauf ein Zusammentreffen des Kaisers mit der lebenslustigen, fröhlichen Tochter einer Badener Kaufmannsfamilie arrangiert. Aus der anfänglichen Schwärmerei des damals 59-jährigen Monarchen für die Burgschauspielerin entwickelte sich binnen drei Jahren eine amouröse Beziehung mit festen Ritualen. Eines davon war die morgendliche Zusammenkunft im Rahmen eines Frühstücks im Privatissimo der Schratt. Wahlweise in Wien, in ihrer Villa in Hietzing. Oder in der Villa Felicitas, ihrem Sommerfrische-Domizil in Bad Ischl. Die Villa steht heute noch und ist unter dem Namen "Villa Schratt" bekannt.
Versteckt an der Bundesstraße:
Hinweisschild zur Villa Schratt.
In Ischl ging der Kaiser zu Fuß zu seiner Freundin: "Bitte, das mit der Schratt war ja kein Geheimnis.
Das hat jeder Ischler gewusst! Der Kaiser ist jeden Morgen übers Kaiserdörfl runtergangen, an den Stallgebäuden der Kaiservilla vorbei durch die Gärtnerei, da war der Ausgang zur
schmalen Straße bergab, dann über die hölzerne Brücke, schon war er da. Kein langer Weg!" Brigitte Engl vom Archiv des Ischler Heimatvereins kann sich noch gut daran
erinnern, was ihre Urgroßmutter über die morgendlichen Liebespfade des Kaisers so alles mitbekommen hatte. Ganz Ischl gönnte dem alternden Kaiser damals sein
Gspusi und war auch im Bilde darüber, welche Attraktion ihn in aller Herrgottsfrühe den Spazierweg flussabwärts zur kaisergelb gestrichenen Villa vor den Toren Bad
Ischls nehmen ließ.
Auf dem Weg von der Kaiservilla
durchs Kaiserdörfl zur Villa Schratt.
Kaiser Franz Joseph und Katharina Schratt
auf der Holzbrücke nahe der Schratt-Villa, um 1910.
"Jeden Morgen macht Papa
seinen Spaziergang
mit der Schratt ..."
(Erzherzogin Marie Valerie in ihrem Tagebuch, 1898)
Als ausgewiesener Gewohnheitscharakter mit streng terminierten Arbeitszeiten und ritualisierten Tagesabläufen nahm Kaiser Franz Joseph das private Frühstück mit seiner Lebensfreundin stets zur gleichen Uhrzeit ein. Alles stand bereit, wenn er eintraf: Kaffee, Frühstücksgebäck, Zigarre - und auch der frisch gebackene Guglhupf. Für den Kaiser war dies bereits das zweite Frühstück, denn er stand bekanntlich stets um halb vier Uhr in aller Herrgottsfrühe auf. Den Weg zur Schratt nahm er dann gegen 6 Uhr 45. Er war sportlich unterwegs, ein passionierter Jäger, er hatte auch im Alter ein flottes Tempo drauf. Um 7 Uhr morgens also war Frau Schratt empfangsbereit: Morgentoilette, Tischdecken, Kaffeekochen, alles hübsch herrichten - all das musste vor 7 Uhr vonstatten gegangen sein (in den Wintermonaten, in Wien, eine Stunde später, um acht). Das legt die Frage nahe: Wo blieb da Zeit zum Backen?
Zwölf Eier, Hefe, Butter - und viel Zeit
fürs mehrfache Aufgehen des Teigs.
Guglhupf-Rezepte sind aus dem Nachlass einiger Hofköche und Hofzuckerbäcker der Wiener Hofburg wohlbekannt. Manchmal mit, zumeist jedoch ohne Rosinen. Bis auf wenige Ausnahmen ist neben einer ganzen Handvoll Eiern frische Hefe die wichtigste Zutat. Und wie das so ist mit Hefe: Sie ist ein kapriziöses Geschöpf, das man gehen lassen muss - im Wortsinne. Und das kann dauern! Das Originalrezept für den Kaiserguglhupf, das ich nachgebacken habe (Link zum Rezept steht unten), verlangt mir eine Menge Geduld ab. Er muss dreimal gehen und das dauert gute fünf Stunden. Hinzu kommt die Zeit fürs Teigrühren und Backen. Ich muss also sehr früh aufstehen, wenn ich zum Nachmittagskaffee das Prachtstück kredenzen möchte. Nicht ganz so früh wie der Kaiser, aber immerhin etwa um 6 Uhr. Allerdings wird von mir auch nicht verlangt, dass ich um diese Zeit chic wie ein Gspusi aussehe, tip top kaiserlich herausgeputzt. Wie hat die Schratt das nur gemacht?
Aufblühende Schönheit: die junge Katharina Schratt.
Katharina Schratt ist nicht nur Burgschauspielerin. Sie ist eine Dame von Welt. Neben dem Kaiser hat sie im Laufe ihrer Schauspielkarriere noch einige weitere Galane - einige von ihnen parallel. Sie geht auf internationale Tourneen, bereist die Neue Welt, bewegt sich sicher auf dem gesellschaftlichen Parkett und pflegt einen kosmopolitischen Lebensstil. Ihre Hauptarbeitszeit ist der frühe bis späte Abend, was in der Welt des Theaters in der Natur der Sache liegt. Danach wird gefeiert und soupiert, und nicht, wie in braven Bürgerkreisen, mit Fuchs und Hase das Abendlicht gelöscht. Es ist kaum anzunehmen, dass eine solch illustre Erscheinung sich zu nachtschlafender Zeit an den Küchentisch stellt, einen Germteig aufsetzt, ihn mit eigener Hände Kraft mit Hilfe eines Holzlöffels bis zu einer Stunde lang geschmeidig rührt und sich im Anschluss daran weitere Stunden um die Ohren schlägt, bis der Teig endlich hoch genug aufgegangen ist und ins Rohr geschoben werden kann.
Natürlich hat die Schratt eine Küchenhilfe gehabt. Mindestens ein Mädchen für alles. Wahrscheinlicher noch eine Zugehfrau, eine Wäscherin, eine Köchin - und einen zuverlässigen Kaiserguglhupf-Bäcker.
Die Konditorei Zauner -
eine Bad Ischler Institution.
"In Ischl heißt der Kaiserguglhupf "Schrattguglhupf", verrät Philipp Zauner, Geschäftsführer der Konditorei Zauner in Ischl. "Immer noch kursieren Geschichten, die Schratt hätte ihn selber gebacken, dabei kam der von uns! Und der Kaiser hat nie erfahren, dass wir es waren, die ihn gebacken haben!" Nichts genaues weiß man zwar nicht, die Quellenlage ist so trüb wie das Flüsschen Ischl bei Unwetter, aber im Hause Zauner gilt die Historie als gesichert, dass zu Kaisers Zeiten jeden Morgen 6 (!) Exemplare des Zauner'schen Kaiserguglhupfs in die Villa Schratt geliefert wurden. Den schönsten habe die Schauspielerin dann für ihren Franzl ausgesucht und für die Frühstücksteller aufschneiden lassen. Sechs Guglhupfs! Dabei hat der Kaiser keine großen Portionen gegessen, und die Schratt hatte ihr Leben lang mit Pfunden zu kämpfen und gemeinsam mit Kaiserin Elisabeth immer wieder die allerneuesten Schlankheitskuren ausprobiert. Da galt es also, jeden Tag fünf übrige Guglhupfe irgendwie an den Mann zu bringen - denn am nächsten Tag musste ja schon wieder ein neuer, frischer her!
"Der Kaiser hat nie erfahren,
dass der Guglhupf von uns war."
(Philipp Zauner)
Wo unsereiner heutzutage eine Katze hat oder einen Hund, hielt sich die Schratt einen Affen: "Der Aff' war im Sommer immer in einem Käfig im Freien heraußen", erzählt Brigitte Engl. Diese Anekdote hat sie auch von ihrer Urgroßmutter. Die war zu Franz Josephs Zeiten Abwäscherin in der Kaiservilla. Und hat als solche einiges mitbekommen. Insiderinformationen, sozusagen, die von Generation zu Generation weitergetragen wurden. Weshalb Frau Engl auch aufschlussreiche Hinweise zum möglichen Verbleib der restlichen Guglhupfe beisteuern kann: "Und die Kinder haben den Affen immer getratzt. Sie mochten ihn nicht, weil der immer so gute Sachen zum Essen bekommen hat."
Kaiser Franz Joseph in Bad Ischl, 1912.
(Foto: Archiv des Ischler Heimatvereins)
"Es ist noch Alles so, als ob Sie
dort wohnen würden,
in der Veranda hängen noch
alle Bilder und sogar die
Kukuruzkolben vom letzten Jahr."
(Brief Franz Josephs aus Bad Ischl
an Katharina Schratt, 10. Juli 1901)
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