Published August 23
Darf ich vorstellen: Table Planner
der Familie Todhunter, Venedig.
"Die schönste Gegend
ist ein gedeckter Tisch."
(Johann Nestroy)
Vorbereitungen für ein Dinner
im Palazzo Duodo, Venedig.
Peter Sellers wäre ein Wunschgast von mir. Ich wollte schon immer herausfinden, ob er Damen gegenüber auch privat den Pink Panther herauskehrt - vor allem: auf welche Weise. Princess Margaret wüsste sicher Näheres darüber. Leider weilt sie nicht mehr unter uns. Peter Sellers tut das auch nicht. Doch darauf kommt es nicht an. Seitdem mir Mimi Todhunter anlässlich eines Interviews ihre Table Planner zeigte, vertreibe ich mir manchmal die Zeit damit, in Gedanken Wunschgästelisten zusammenzustellen. Karlsson vom Dach steht ebenfalls weit oben auf meiner Fantasieliste. Stefan Zweig wäre auch ein Anwärter, unbedingt auch Helge Schneider und natürlich auf jeden Fall good old Karl Lagerfeld. Diese Kandidaten wären also schon mal gesetzt. Zum Dessert würde ich ihnen Buchteln mit Vanillesauce servieren, bei Vor- und Hauptspeise bin ich noch am Überlegen. Die Frage ist jetzt nur: Wer säße idealerweise neben wem? Und welche Damen sollte ich ihnen beigesellen? Damen sind auf meiner Liste noch sehr unterrepräsentiert. Ich finde Männer als Gäste in der Regel unterhaltsamer. Mit dieser Eingleisigkeit könnte ich bei einem korrekten placement jedoch nicht punkten.
Servietten mit handgesticktem Monogramm,
Tischinventar der Familie Todhunter.
Im Familienkreis ist das mit der Sitzordnung dagegen eher unproblematisch. Wer wo seinen Platz einnimmt, entwickelt sich mit der Zeit wie nebenbei. Dann gibt es an dieser Ordnung allerdings ebenfalls kaum noch etwas zu rütteln. Früher gab es für diesen Zweck Stoffservietten mit Monogramm. Jedes Familienmitglied besaß so eine, auch bei uns war (und ist) das so, die behielt man die Woche über, dann kam sie in die Wäsche. Die Initialen des Namens sind von Hand eingestickt. Am Ende jeder Mahlzeit wird die Serviette in den Serviettenring oder die Serviettentasche gesteckt - und verbleibt dann an Ort und Stelle. Männer- oder Frauenüberschuss tut in der Familie ohnehin nichts zur Sache, da können locker auch Oma und Enkelinnen immer nebeneinander sitzen - wurscht.
Handgesticktes Monogramm -
"T" wie Todhunter.
Wäre ich jetzt allerdings Diplomatin oder Charity Lady oder Schlossherrin müsste ich mich in Sachen Tischordnung deutlich mehr anstrengen. Bei offiziellen Anlässen ist das sogenannte placement Ausdruck von Wertschätzung, Rang und Wichtigkeit. Fehlplatzierungen können schwere Verwerfungen nach sich ziehen. Wer wo Platz nehmen darf, sollte auf keinen Fall dem Zufall überlassen werden. Die richtige Platzierung ist wie ein Ritterschlag. Wer rechts neben der Hausherrin sitzen darf, ist First Class VIP - Ehrengast. Dumm nur, wenn man mehrere Ehrengäste gleichzeitig einladen möchte. Oder wenn diese noch ihre Ehegesponse mitbringen sollen dürfen. Oder es Animositäten unter den Einzuladenden gibt. Oder manche Gäste als furchtbar langweilig gelten, aber dennoch eingeladen werden müssen. Gleiches gilt für nervtötende Plaudertaschen. All das erfordert sensible Vorplanungen.
Mimi Todhunters Table Planner
für den langen Tisch im Piano Nobile.
Auf solch knifflige Fragen kommt es ganz besonders bei offiziellen Anlässen an. Staatsbankette, Gala-Dinner, hohe Festlichkeiten wie Hochzeiten - das ist der Rahmen für typische formal seatings. Dafür haben kluge Protokollbeamte einst den Table Planner erfunden. Es handelt sich dabei um ein aus Leder gefertigtes Display, mit dem sich die perfekte Tischordnung so lange austüfteln lässt, bis drei gastgeberische musts gewährleistet sind: Keiner der Gäste ist düpiert. Männlein und Weiblein sind in etwa gleich verteilt. Und alle unterhalten sich prächtig.
Mimi Todhunters Table Planner
für den runden Tisch im kleinen Salon.
Natürlich kommt auch das Table Planner-Ding ursprünglich aus der Lifestyle-Nische der Aristokratie. In dieser Subkultur nahm ja summa summarum das Brimborium mit kniffliger Etikette, Ranghöhe, symbolischem Ausdruck und dem ganzen Hin und Her an Ehrerbietungen seinen Anfang. In Europas Archiven schlummern nicht nur historische Menükarten von manchen Festbanketten herrschaftlicher Häuser, sondern auch Skizzen der dazu passenden Tischordnungen. Aus dieser Sphäre stammt auch das eherne Gesetz, dass sich Hausdame und Hausherr an der Tafel gegenüberzusitzen haben, dass rechts neben ihnen jeweils die Ehrengäste platziert werden, und dass die Reihung der weiteren Gäste dann nach streng hierarchischen Gesichtspunkten zu erfolgen hat.
Hochwürden bekommt einen Ehrenplatz.
Dass sich die Gäste im Rahmen des Essens eher ins Gespräch als ins Glas vertiefen und nicht voneinander angeödet sind, erfordert ebenfalls Fingerspitzengefühl. Es gilt als Tugend der Gastgeberschaft, beim Placement die Truppe der Eingeladenen so zu verteilen, dass im Idealfall links und rechts jemand sitzt, mit dem man einige Interessen teilt, sich im Temperament ergänzt und einen amüsanten Austausch pflegen kann. Wer schon mal bei Freunden eingeladen war und dummerweise zwischen zwei, drei mundfaulen oder eher missmutigen oder gar streitlustigen Typen zu sitzen kam, weiß wie gottanstrengend es ist, durch so einen Abend zu kommen.
Meisterin des eleganten Placements:
Mimi Todhunter.
Doris Day könnte übrigens auch eine interessante Tischdame sein. Oder auch Mutter Brazier, die erste Drei-Sterne-Köchin der Welt. Ich bin gerade in meiner Fantasie beim weiblichen Teil der Wunschgästeliste angekommen. Gerne hätte ich auch eine italienische Wucht dabei. Fanmäßig war ich immer eher auf der Sophia Loren-, nicht auf der Lollo-Seite. Eigentlich ist mein Tisch ja eher klein. Sechs, maximal acht Leute finden darum Platz. Trotzdem möchte ich seit meinem Besuch bei Mimi Todhunter einen ledernen Table Planner für wenigstens zwölf Gäste haben. Es macht einfach mehr Spaß, so viele Namenskärtchen hin und her zu schieben, bis die Mischung stimmt. Um Karlsson auf dem Dach brauche ich mir im übrigen keine Gedanken zu machen. Der kreist mit seinem Propeller sowieso über dem Tisch. Ich muss nur darauf achten, The Palace Chef rechtzeitig Bescheid zu geben, für ihn eine Schüssel Fleischklößchen extra zuzubereiten.
"Auch bei informellen Essen ist es sinnvoll,
sich über die Sitzordnung Gedanken zu machen.
Sie geben damit Ihrer Tischrunde eine größere Bedeutung."
(Alessandra Borghese & Gloria von Thurn und Taxis)
Die Damen Mutschelknaus & Todhunter
auf dem Balkon am Canal Grande, 2022.
"I was just doing the
placement yesterday."
(Mimi Todhunter)
***