Das Ding aus einer

anderen Zeit:

Der Serviettenring


Frühling lässt sein buntes Band ...

Meine Lieblings-Serviettenringe zu Ostern

(Manufaktur Wendt & Kühn, Erzgebirge)


Nur diese vier haben wir noch in unserer Familie. Und sie kommen auch nur ein paar Wochen auf dem Tisch zu stehen. Vor und nach Ostern - und danach wandern sie wieder zurück in ihr Zuhause, eine schon leicht vergilbte Schachtel, die am Boden ganz weich ausgepolstert ist mit Watte, vor Jahrzehnten schon hat das jemand gemacht, um sie zu beschützen, doch auch diese Watte konnte nicht verhindern, dass die Blütenblätter wenn schon nicht welkten, so doch immer mal wieder abgebrochen sind, eines nach dem anderen ...

Die Margarite hat es am schlimmsten erwischt. Ausgerechnet sie. Denn ohne Margarete - ja, richtig geschrieben! - gäbe es diese vier bunten Kerlchen nicht. Und auch nicht die vielen anderen bunten kleinen Kerlchen, die Mädchen mit Blüten und die Buben mit Hüten und Schubkarren - die erzgebirgische Manufaktur Wendt & Kühn ist seit über 100 Jahren weltberühmt für ihre anrührenden, zeitlos schönen Figürchen und Kleinigkeiten aus Holz: die "Blumenmädchen", die Weihnachtsengel, die Spieldosen. Und eben auch solche Serviettenringe.


Die Serviettenringe sind von meiner Großmutter. Sie hieß Margarete und wurde 1915 geboren. Genau in dem Jahr, in dem zwei junge Frauen, die auch den Namen Margarete trugen, eine der bekanntesten Manufakturen für Holzfiguren gründeten: Margarte Wendt (1887-1979). Und Margarete Kühn (1888-1977). Bis heute ist die Manufaktur Wendt & Kühn in Familienbesitz. Die Figürchen und Objekte sind aus Buchen-, Ahorn- oder Lindenholz, sie werden gedrechselt, gesägt, in Farbe getaucht, lackiert und bepinselt - weitestgehend in Handarbeit und heute noch nach Entwürfen, die Margarete Wendt ab 1915 schuf, später zusammen mit ihrer Schwägerin Olly Wendt. Margarete Wendt, kurz Grete genannt, hatte die Königlich-Sächsische Kunstgewerbeschule in Dresden absolviert; ihren Entwürfen ab den Zwanziger- und Dreißigerjahren sieht man das Faible für die Formen- und Farbensprache des Bauhaus an.


Wie ich hörte, wäre es möglich, die von der Zeit gezeichneten Serviettenringe an die Manufaktur zu schicken und restaurieren zu lassen. Ich habe mich dagegen entschieden. Ich mag ja auch welke Blumen so gern. Und mir gefällt, dass die zarten Blütenblätter so widerstandsfähig sind. Sie haben schon so viele Osterfeste erlebt. So viele Hände, die Stoffservietten erst zusammenrollten und dann in die Öffnung pfriemelten. So viele Tischrunden und so viele Leute, die sich über das Osterfest freuten und über den bunt gedeckten Tisch und das viele Essen darauf. Dafür haben diese Serviettenhalter-Blumenkerlchen eigentlich noch ganz schon viele Blätter dran. Und blühen immer noch. Danke, liebe Grete, Danke Margarete! Und Danke, liebe Omi.


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