Treuer Gefährte, nicht nur zu Weihnachten:
Das Schokohündchen
Ach, ist der süß! Viel zu hübsch zum Aufessen! Niedliche Figürchen aus essbaren Zutaten, so kunstfertig
hergestellt, dass sich sogar festliche Tafeln und Tische damit schmückten ließen, haben eine lange Tradition. Was wir heute mit einem Happs einfach so wegnaschen, hat einen
vornehmen Stammbaum und herrschaftliche Ahnen.
Jäger mit Hund, Meissener Porzellan
Johann Joachim Kaendler, 1744
Ob Hündchen, Bärchen, Hasen, Enten, Schwäne - oder natürlich Nikoläuse und Rentiere zur Weihnachtszeit: Die Schokoladenfigur als Zierde festlicher Stunden hätte es ohne die Tradition und Kunst einstiger Hofkonditoren nicht bis in die heutige Zeit geschafft. Der Tafelaufsatz als Schauobjekt in der Mitte des üppig gedeckten Tisches, ausgeschmückt mit Figuren der Märchen-, Fabel- und Mythenwelt, war einstmals der Stolz jeder prunkvollen Einladung bei Hofe. Und je nach Fassungsvermögen der fürstlichen Schatulle waren solche Tafelaufsätze oder dekorativen Schaugerichte entweder aus Silber, Fayence oder Porzellan gefertigt, oder aus essbaren Zutaten wie Zucker oder Traganth, dem formbaren Gummisaft der Tragant-Pflanze. Figürliche Darstellungen aus feinstem Zuckergespinst, Tragant- oder Zuckerteigen herzustellen, war Aufgabe der Hofzuckerbäckerei, traditionell auch Confisérie genannt. Die Jobbeschreibung einer Zuckerbäckerin bei Hofe im 18. Jahrhundert las sich beispielsweise so:
"Allerhand Früchte / Vögel / Thiere
schöne Bildlein und Figuren aus
Tragant-Massa zu machen."
(Amalia Friederica von Mellingsdorf, 1712)
Bella Figura!
Nach der Französischen Revolution war das süße Leben bei Hofe bekanntlich erst einmal vorbei. Und so mussten sich die Hofconfiseure und Zuckerbäckerinnen andere Kundschaft suchen. Sie machten sich selbstständig, eröffneten ihre eigenen Konditoreien und Confiserien und brachten von dort aus die aristokratische Naschtradition im 19. Jahrhundert unters Volk. Und weil üppige Tafelaufsätze in bürgerlichen Wohnzimmern eher unpraktisch zu handhaben sind, verlegten sich die HerrenDamen Hof-Confiseure auf die Produktion handlicherer Figürchen. Gleichzeitig fügte es sich famos, dass just ein paar Jahrzehnte nach der Französischen Revolution, im Jahre 1832 in Paris, das Unternehmen Létang Fils begann, dekorative Förmchen unter anderem für das Gießen von Schokoladenfiguren herzustellen.
Anton Reiche (1845-1913)
Gründer einer weltberühmten Schokoformen-Fabrik
Anton Reiche aus Sachsen erlernte als Geselle bei Létang Fils drei Jahre lang die Kunst der
Schokoladenförmchen-Herstellung. Das war von 1867 bis 1870. Anton war geschickt, erfindungsreich und kaufmännisch clever. Und so gründete er, zurück in Sachsen, eine der erfolgreichsten und
berühmtesten Fabriken für Formen aus Weißblech - und belieferte mit seinen Förmchen und Verpackungsdosen bald nicht nur Schokoladenunternehmen wie Stollwerck,
Lindt und Suchard, sondern ab 1885 sogar Süßwarenhersteller in den USA. Wofür ein Hofzuckerbäcker noch Tage benötigt hatte, ließ sich nun, im Zeitalter der Industrialisierung, en gros und binnen
Kürze herstellen - das essbare Schaugericht legte den Adelstitel ab und wurde en miniature bürgerlich.
Kein Schoggi-Rudolph ohne Rodolphe!
Das Vorbild der höfischen Tafelaufsätze war auf handliches Format geschrumpft. Nun fehlte nur noch, dass der
Berner Chocolatier Rodolphe Lindt (1855-1909) das Verfahren entwickelte, Kakaomasse so fein zu vermahlen, zu rühren, zu erwärmen und mit Kakaobutter zu mischen, dass sie am Ende
auf der Zunge schmilzt und glänzt wie glasiertes Porzellan. Oder wie fein gesponnener Zucker. Oder auch Seide. Man nennt das Verfahren Conchieren. Es ist die
Voraussetzung dafür, dass Schokoladenfiguren optisch und geschmacklich bella figura machen - bis heute.
Königliches Naschvergnügen:
Schoggi-Figuren von Chocolatier Suisse Läderach
Die Inspiration zu dem kleinen kulinarhistorischen Ausflug kam mir anlässlich einer Presse-Einladung der Schweizer Confiserie Läderach in München im Dezember
2022. Dank an Elias und David Läderach für ihre Einführung in die Verkostung von Schokolade und die Herstellung feinster Schokoladentafeln. Elias' Hinweis, seine Großmutter Maria Läderach habe
die Idee für die Herstellung einer besonders dünnwandigen, filigranen Hülle für Trüffelhohlformen gehabt, war die Initialzündung für diesen Artikel.
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