Published October 2023

Venice, Italy

Worth a visit:

Palazzo Mocenigo

(Fondazione Musei Civici Venezia)

Tischtuch aus Burano-Spitze

auf dem Esstisch im Palazzo.


Wonach duftet Venedig? Nach Meer, Salz, baccalà und branzino auf dem Fischmarkt am Rialto? Aber natürlich! Und auch nach caffè, selbstverständlich. Aber nach Zimt? Ambra? Moschus oder Benzoe? Nach Bergamotte und Damaszenerrose? Mehr als erwartet!

Als Teil des Byzantinischen Reichs war Venedig lange Zeit die Hauptstadt der Herstellung edler Parfums. Noch vor Paris. Die Kunst, sich mit duftenden Ölen zu parfümieren, ist ursprünglich eine orientalische. Die Zutaten hierfür sind ebenfalls ursprünglich mehrheitlich orientalisch - darunter viele besonders wohlriechende: Rosen, Orangenblüten, Zitrusfrüchte, Gewürze wie Zimt und Muskat, auch Harze wie Weihrauch, Mastix, Benzoe, Storax. Ein Bummel durch Venedigs Gassen heute - und die kulturgeschichtliche Nähe zum glanzvollen Erbe des Orients sticht an vielen Orten ins Auge.

 

"Venezia ha avuto un ruolo

fondamentale per la diffusione

del profumo..."

(Anna Messinis)


Schaufenster am Rialto.

"La maggior parte di questi prodotti

è di origine orientale."

(Anna Messinis)


Alle diese Luxusgüter, die Blüten, Öle, Seidenstoffe, Gewürze, Porzellane - wer konnte sie sich leisten? Kaufleute, Patrizier. Die großen Familien der Serenissima, die Dynastien der Dogen. Ein Besuch ihrer Palazzi ist wie eine Zeitreise in die Blütezeit Venedigs als Metropole des Handels mit dem Orient, mitten hinein in den Alltag der nobili, ihren Lebensstil, Geschmack, ihre Vorlieben, alles greifbar, fühlbar, sichtbar heute noch, in einem der prachtvollsten unter ihnen: Palazzo Mocenigo, nahe San Stae.

Benvenuti a Palazzo Mocenigo!

Im Raum Nr. 3 des Palazzo:

Wandtischchen mit Muranoglas.


Ca' Mocenigo di San Stae, so der Name des Palazzo, wird um 1500 erstmals erwähnt. Die Familie Mocenigo stellte von allen Dynastien Venedigs die meisten Dogen: Tommaso 1414, Pietro 1474, gefolgt von Giovanni (1478) und diversen Alvise, bis zu Alvise IV. Mocenigo, 1763-1778. Das Wappen der Familie ist in den Räumen des Palazzo auf Schritt und Tritt sichtbar, nicht nur im Entrée, auch im Piano Nobile, eingelassen in den Terrazzoboden, angestrahlt von einem kunstvollen Lüster aus Muranoglas.

Muranoglas-Lüster im

Piano Nobile des Palazzo.


Palazzo Mocenigo ist heute ein Museum, ein wundervolles, ganz besonderes, die perfekte Adresse für einen regnerischen Tag, innen ist es trocken, warm, angenehm halbdunkel - die Wände sind mit prachtvollen Seidentapeten bespannt, die Fenster eingerahmt von kostbaren, dickfallenden Vorhängen. Der Palazzo umfasst nicht nur die Wohn- und Repräsentationsräume, er ist auch Sitz des Centro Studi di Storia del Tessuto e del Costume (Studienzentrum zur Kostüm- und Stoffgeschichte) und er beherbergt eine beeindruckende Ausstellung zur Geschichte der venezianischen Parfumtradition.

Tischkultur im Palazzo der

Dogenfamilie Mocenigo

(Detailansicht).


Das Verfahren zur Herstellung wohlriechender Wässerchen und Öle blieb lange Zeit mindestens so geheimnisvoll wie die Kunst des Porzellanmachens - und nur wenigen Eingeweihten vorbehalten. Alchemisten, Apotheker hatten Zugang zu diesen geheimnisumwitterten Kenntnissen. Das erste Buch über die Kunst der Parfümherstellung stammt von einem Venezianer. Giovanventura Rosettis Notandissimi Secreti de l'Arte Profumatoria erschien, in Venedig gedruckt, im Jahre 1555. Über 300 Rezepte enthält es, für Haarwasser und Haarfärbemittel, für Zahncremes und Seifen, Duftspender für die Zimmer, Bleichmittel für das Gesicht und die Hände - und natürlich für Parfüms.

Forschungsbibliothek zur Geschichte

der Parfumherstellung

(Palazzo Mocenigo).

Parfümeure stellten nicht nur Duftöle her,

auch Seifen, Puder und Haarwasser.


Denkt man an die Reihen vergleichsweise billiger Parfüms aus synthetischen Duftstoffen, die heute die Regale von Drogeriemärkten füllen, fällt es nicht leicht, sich vorzustellen, welche Aura Parfums früher umgab. Die Damen und Herren, die sich mit den duftenden Substanzen betupften, hatten in der Mehrzahl keinen blassen Schimmer, woher die Zutaten für ihr Parfümöl kamen. Sie konnten weder die Herkunftsländer näher bestimmen, noch waren sie jemals dort gewesen, sie wussten zwar, was unter "Orient" zu verstehen ist, hatten dessen Landesteile aber selbst kaum je betreten (mit wenigen Ausnahmen), noch hatten sie jemals einen Wal zu Gesicht bekommen oder einen Mastixstrauch oder eine Moschusziege. Es kursierten Mythen über Seeungeheuer, Drachen und Monster in diesen unvorstellbar fernen, orientalischen Welten, aus denen die kostbaren Zutaten und die Gewürze für die Parfüms stammten, und so war die Tatsache, überhaupt eine Substanz in Händen zu halten, die den gefährlichen, mystisch überhöhten Weg aus dieser fremdartigen, exotischen Welt bis nach Venedig geschafft hatte, für sich genommen schon eine ungeheuerliche.

Phiolen und Destilliergläser aus

der Frühzeit der Parfumeur-Kunst.


Nicht nur das aufwendige Herstellungverfahren machte Parfüms so kostbar - ihre fremdartigen Inhaltsstoffe galten dereinst als das eigentlich Geheimnisvolle. Vor der Erfindung synthetischer Duftstoffe kamen die Ingredienzien für Parfums ausschließlich aus der Natur. Meist waren sie pflanzlicher Herkunft, doch ihr durchdringendes, tiefwürziges gewisses Etwas verliehen ihnen letzten Endes nicht selten tierische Substanzen: Ambra, ein wachsartiges Stoffwechselsekret aus dem Darm des Pottwals; Moschus, das Sekret aus einer Bauchdrüse männlicher Moschustiere; Zibet, ebenfalls ein Sekret, ein fetthaltiges, aus der Drüse der Zibetkatze. Alles sehr schwer zu gewinnen, umständlich und kostspielig zu transportieren, kompliziert in der Handhabung und Aufbereitung.


Pflanzliche Zutaten wie Benzoe, Storax,

Mastix, Myrrhe oder Aloe kamen

aus dem Orient nach Venedig.

Fell eines Moschustieres in der

Ausstellung zur Parfumgeschichte.


Natürliche Zutaten machen Parfums vergleichweise intensiver, schwerer - und auch teurer. Ein paar Tropfen der raren Essenzen genügten dereinst, um ihre Aura zu entfalten. Parfümflakons waren früher deshalb bemerkenswert klein. Meist sogar winzig, nach heutigen Maßstäben.

Eine traumhaft schöne Sammlung handlicher historischer Parfümflakons stammt, das wird in der Ausstellung deutlich, erstaunlicherweise aus Bayern. Venedig-München, diese bedeutende Handelsverbindung - auch hier wird sie wieder einmal im Wortsinne: nahezu greifbar. Der bayerische Apotheker Bruno Storp hatte im Jahr 1911 eine Manufaktur für Parfümöle, Seifen und duftende Haarwässer gegründet. 1921 begann er, in Koopertion mit dem Chemiker Dr. O. Martin, synthetische Duftöle herzustellen. Aus Dr. O. Martin wurde der Firmenname Drom. Bruno Storp eröffnete 1935 eine Parfümerie in München. 1970 wurde der Firmensitz nach Baierbrunn verlegt, eine Gemeinde in Oberbayern, nicht weit weg von der Grenze zu Tirol. Aus der langen Firmengeschichte des Unternehmens ging eine Sammlung hervor, mit zauberhaften, kunstvoll gearbeiteten Flakons aus Glas, Gold, Porzellan und Silber - die Collezione Storp-Drom. Sie umfast 3000 Flakons und Objekte zur 4000-jährigen Geschichte der Parfumkultur. Sie ist Teil des Sammlungs- und Ausstellungsbestands im Palazzo Mocenigo.


Flakons der Sammlung Storp-Drom.


Buch aus dem Museumsshop.


Am Ende der Ausstellung wartet - Gottseidank! - auch hier ein reizender, kleiner Museumsshop. Ich liebe Museumsshops! Sie sind oft mit Esprit kuratiert und, wie ich finde, nicht selten der krönende Abschluss eines Museumsbesuchs. So kann man sich das Vergnügen verlängern und etwas mit heimnehmen, das Erinnerungen weckt. Schöne zumal. Ich empfehle dringend, nicht aus Venedig abzureisen, ohne den Palazzo Mocenigo besucht zu haben. Auch, wenn es den ganzen Urlaub über in Venedig nie regnen sollte.

www.mocenigo.visitmuve.it/en/home

"Odors have a power

of persuasion stronger

than that of words."

(Patrick Süskind, Perfume)



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