FoodTorian Talk:

Valentin Habsburg-Lothringen

Ts, ts - hab' ich doch glatt meine weiße Schürze vergessen! Im übrigen: Die Herrschaften très distingues - coronabedingt.

"Ach, sagen Sie einfach Herr Diplom-Ingenieur zu mir" meint Valentin Salvator Markus von Habsburg-Lothringen, Ur-Ur-Enkel von Kaiserin Elisabeth, zur Begrüßung. Der Besuch in der Kaiservilla fängt gut an!


"Durchaus eine Fitness"

FT: Herr Habsburg-Lothringen, vielen herzlichen Dank, dass Sie sich ein bisserl Zeit nehmen und mich durch die Kaiservilla führen. Ich hab vorhin schon mal durch die Tür gespitzt - an den Wänden im Foyer hängt so manche Jagdtrophäe.

VH: Mein Ur-Ur-Großvater, Kaiser Franz Joseph, hat es geliebt, zur Jagd zu gehen. Die Villa liegt am Fuße der Berge, er war hier viel unterwegs und stets sehr sportlich.

 

Ewige Jagdgründe

Muss man das sein bei der Jagd?

Früher sogar mehr als heute! Heutzutage könnte man bei einer Jagd, wenn man so wollte, gleichsam mit dem Fahrzeug direkt zum Hochstand fahren, dann nur noch die Leiter kurz raufsteigen, und das ist dann das sportliche Jagderlebnis, wenn man so möchte (lacht). Aber wenn mein Ur-Ur-Großvater im Salzkammergut auf Gebirgsjagd ging, war das erstmal ein längerer Ritt, gefolgt von einem nicht eben kurzen Aufstieg, insbesondere bei der hier oft erfolgten Gamsjagd. Das ist schon eine körperliche Strapaz' gewesen.

Mit den genagelten Lederschnürstiefeln, die man damals trug. Dabei hatte der Kaiser ja viel am Schreibtisch gesessen ..

... und er mag die Jagdausflüge sicher als Ausgleich gesehen haben für die sehr, sehr großzügig bemessene Büroarbeit, die er Tag für Tag geleistet hat.

Es heißt, er sei sehr zeitig aufgestanden.

In der Früh zwischen vier und fünf Uhr. Jeden Tag. Er hat aber auch gern ein Mittagsschläfchen gehalten, das darf man erwähnen.

Wenn der Kaiser auf Jagd ging, hatte er sicher eine größere Gesellschaft dabei.

Es ist überliefert, dass er, wenn er Gebirgsanstiege aufnahm, seine Schusswaffe stets selbst getragen hat. Über Stock und Fels, über Stunden. Er war ein sehr disziplinierter Mensch. Und man würde heute sagen: Er hatte durchaus eine Fitness.

War er auch beim Essen diszipliniert?

Mein Ur-Ur-Großvater war ein sehr beherrschter Mensch. Das gilt in der Familienüberlieferung als gesichert. Die Kolportage, er sei ein eher hastiger Esser gewesen, habe ich auch schon öfter gehört. Bei dem Arbeitspensum, das er täglich zu bewältigen hatte, konnte er sich nicht der Völlerei hingeben. Ganz sicher nicht - das hätte zu übergroßer Müdigkeit geführt.

 

Hoheitsgebiet: Gamsrudel rund um Ischl

In der Kaiservilla herrschte eine vergleichsweise private Atmosphäre?

Die Villa war ein Geschenk der Kaiserinmutter Sophie an Elisabeth und Franz Joseph anlässlich ihrer Verlobung. Sie wurde immer familiär genutzt. Je nachdem, wie viele Familienangehörige zu Besuch kamen, welchen besonderen Anlass es gab, speisten meine Ur-Ur-Großeltern entweder im kleineren Speisezimmer oder - bei festlichen Gelegenheiten - im größeren Saal, dem Grauen Salon.

Er wirkt sehr behaglich mit der holzvertäfelten Anmutung. Und auf dem Tisch steht ein wunderschöner Tafelaufsatz ...

... er stellt Hubertus dar, den Schutzpatron der Jäger. Es ist ein Geschenk meiner Urgroßmutter Marie Valerie an ihren Vater, den Kaiser, anlässlich seines 60. Geburtstages.

 

Weiß man denn, ob Kaiser Franz Joseph eine Vorliebe für Wildgerichte hatte?

Familienrezepte sind leider nicht erhalten (lacht), aber ganz sicher hat er gerne auch mal Wild gegessen. Die Mengen, die erlegt wurden, konnten natürlich nicht bei Tische alle verzehrt werden. Viel Wild, das erlegt wurde, wurde an Waisenhäuser abgegeben, an bedürftige Institutionen.

Die Küche befand sich ein Stückchen näher an der Stadt, unten am Flüsschen Ischl?

Ja, gekocht wurde nicht hier in der Villa, wegen der Brandgefahr. Auch, um die Essensgerüche nicht dauernd in den Räumen zu haben. Das Küchengebäude ist unten am Fluss, von dort wurde das Essen, warm gehalten von heißen Kohlen, teils durch einen unterirdischen Gang ins Haus gebracht. Und hier wurde es dann angerichtet und serviert. Wenn Sie so möchten, war die Methode, die Speisen in mit Kohlen beheizbaren Metallkisten warmzuhalten, die Mikrowelle der damaligen Zeit.

Herzlichen Dank, Herr Habsburg-Lothringen, für den kurzen, netten Einblick in das Leben in der Kaiservilla!

 

Der Küchentrakt der Kaiservilla in Ischl.


Das Gamserl lässt mich nach der Plauderei in der Kaiservilla nicht mehr los ... Zur Zeit der Habsburger Monarchie gab es Gemsen in den Alpen noch zuhauf. Heute ist das anders. Trotzdem würde ich gerne mal eine probieren. Und wie der Zufall so spielt: Ein paar Wochen nach dem Interview hatte ich ein Gamsfilet in meiner Küche!

Wie ich es zubereitete und wie es schmeckte, zeige ich hier:


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